Begründung des Orientierungsrahmens

Die Digitale Transformation und ihre Bedeutung für den Unterricht

Die Digitalisierung spaltet die Geister – etwas zugespitzt stellt sich die Situation in etwa so dar: Auf der einen Seite stehen die digital Begeisterten, die spielend leicht mit Apps jonglieren und denen keine technische (und rechtliche) Widrigkeit im Weg zu stehen scheint. Auf der anderen Seite sind diejenigen zu finden, die zwar die Nützlichkeit digitaler Tools grundsätzlich anerkennen, aber auf die Aussage „Pädagogik vor Technik“ verweisen und darauf, dass der Unterricht bisher auch ohne digitale Tools gut funktioniert hat. Der Mediendidaktiker Michael Kerres kritisiert 2018 die im Diskurs oft hervorstechende Dichotomie „des Digitalen“ und „des Analogen“ und meint, dass sich beides ineinander verschränkt:

Es ist Bildung, die sich zu einer Welt verhält, die durch digitale Technik geprägt ist. Damit rücken die Gestaltungsoptionen in den Vordergrund.


Ziel dieses Orientierungsrahmens ist es, diese Gestaltungsoptionen aufzuzeigen und im Unterricht nutzbar zu machen. Im Zentrum steht dabei das didaktische Potenzial der digitalen Transformation. Geschickt eingesetzt unterstützen die neuen didaktischen Möglichkeiten bei der Bewältigung von Aufgaben, vor der alle Schulen stehen.

Aufgaben, die von Schulen bewältigt werden müssen.

Screenshot:  Rezo - Zerstörung FINALE: Korruption Quelle: YouTube

Kultureller Wandel

Wir befinden uns nicht nur seit Jahren in einem technischen Umbruch, sondern auch in einem kulturellen Wandel, der sich auf alle Bereiche der Gesellschaft auswirkt. Wissen entsteht nicht mehr gewissermaßen alleine im stillen Kämmerlein, sondern durch Netzwerke von Menschen, die zusammen an Inhalten arbeiten. Veröffentlicht wird dieses Wissen nicht mehr durch etablierte Institutionen, sondern von jedermann aus dem heimischen Wohnzimmer. Das Nachvollziehen und aktive Gestalten der „Kultur der Digitalität“ (Stalder, 2016) ist auch eine Aufgabe von Schule.

Heterogenität

In allen Schularten kommen Schülerinnen und Schüler mit sehr unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zusammen. Dazu gehören Hochbegabung, unterschiedliche Bildungshintergründe der Elternhäuser und die Integration von Lernenden mit Nachteilen. Digitale Medien und Werkzeuge eröffnen gerade in diesem Bereich neue Möglichkeiten der Individualisierung.

 © istock.com/lisagagne

Zusammenarbeit

Wir erleben jeden Tag, dass wir nur in wenigen Situationen unseres Berufs- und Alltagslebens völlig alleine zum Ziel kommen. Das gemeinsame Arbeiten und der Austausch im Team werden nicht nur im Berufsleben immer wichtiger. Auch im Lernprozess ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit – sogar von unterschiedlichen Orten aus und zu verschiedenen Zeiten. Zur Unterstützung von Kommunikation und Kollaboration kommen digitale Werkzeuge zum Einsatz.

Vision der Schule der Zukunft (19. Jhd) - gemeinfrei

Rolle der Lernenden

Die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zum Lehren und Lernen sind eindeutig: Eine allein passive Rolle von Schülerinnen und Schülern ist wenig lernförderlich. Wenn Lernende die reine Konsumentenhaltung verlassen, selbst handeln und eigene Lernprodukte erzeugen, hat dies auch Auswirkungen auf den Lernerfolg. Bei der Dokumentation des Lern- und Arbeitsprozesses und beim Erstellen echter digitaler Artefakte fungieren digitale Medien als Werkzeug und Zielobjekt zugleich.

Zielperspektiven und Anknüpfungspunkte

Der Orientierungsrahmen Digitale Lernaufgaben zeigt auf, wie digitale Medien und Werkzeuge zielgerichtet in den Lernprozess integriert werden können. Er gibt einen methodisch-didaktischen Rahmen vor, der unterschiedliche Schwerpunktsetzungen zulässt. Zentral sind dabei vier Zielbereiche, die sich aus den eben beschriebenen schulischen Herausforderungen ergeben.

Die Konzeption des Orientierungsrahmens knüpft an bestehende pädagogische Konzepte an, die nicht nur aus dem Bereich der Mediendidaktik entstammen. Dazu gehört das bewährte Konzept der Kompetenzorientierung, das ein zentrales Merkmal des bayerischen LehrplanPLUS darstellt. Das Konzept der „Kultur der Digitalität“ des Schweizer Kulturwissenschaftlers Felix Stalder findet ebenso seinen Niederschlag im Orientierungsrahmen wie das oft zitierte „4K-Modell“ (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken) aus den „Kompetenzen für das 21. Jahrhundert“. Es greift auch die Empfehlung der Kultusministerkonferenz zum „Lehren und Lernen in der digitalen Welt“ (KMK, 2021) auf.

Ausblick

Der Orientierungsrahmen Digitale Lernaufgaben möchte Lehrkräfte dazu ermutigen, neue Aufgabenformate zu erproben und eigene Digitale Lernaufgaben zu erstellen. Als Hilfestellung dazu dient nicht nur das vorliegende Konzept, sondern auch eine Reihe von Beispielen aus verschiedenen Fächern und Schularten. Diese Beispiele werden ab dem Schuljahr 2022/23 sukzessive ergänzt und erweitert. Über eine Datenbank erhalten dann alle Lehrkräfte die Möglichkeit, passende Digitale Lernaufgaben für ihren Unterricht zu finden oder sich von vorhandenen Beispielen inspirieren zu lassen.

Digitale Lernaufgaben dienen allein dem Lernprozess. Sie können perspektivisch aber auch Grundlage für innovative Prüfungsformate sein, wie sie etwa aktuell im Schulversuch „Prüfungskultur innovativ“ erprobt werden. Auch in diesem Bereich gilt es, eine Antwort auf die oben genannten Empfehlungen der KMK zu entwickeln.

Jochen Arlt
Fachreferent Mediendidaktik

Max Auburger
Fachreferent Mediendidaktik


Empfohlene Zitierweise

Arlt, J. & Auburger, M (2022). Begründung des Orientierungsrahmens Digitale Lernaufgaben – Die Digitale Transformation und ihre Bedeutung für den Untericht. In: Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) (Hrsg.), ISB-Info "Digitale Lernaufgaben". Verfügbar unter: https://isb-magazin.de/digitale-lernaufgaben/einstieg

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