Die Beauftragten für inklusive Unterrichts- und Schulentwicklung

Auf dem Weg zur inklusiven Schule

Bis zum Schuljahr 2020/21 wurden in Bayern flächendeckend die Beauftragten für inklusive Unterrichts- und Schulentwicklung (BiUSe) an den staatlichen Schulämtern installiert, um die qualitative Verbesserung von inklusivem Unterricht und inklusiver Schule zu unterstützen. In der Regel wurden je zwei Schulamtsbezirke zu einer Kooperationseinheit zusammengespannt und ein Team aus zwei Kooperationsschulrätinnen bzw. Kooperationsschulräten und zwei BiUSe gebildet. Idealerweise besteht das BiUSe-Team aus jeweils einer Lehrkraft aus der Grundschule und einer Lehrkraft aus der Mittelschule, die beide Inklusionserfahrung einbringen. Die BiUSe arbeiten im Auftrag der Kooperationsschulaufsicht und stimmen sich mit dieser regelmäßig über die anstehenden Aufgaben ab.

oben: © ISB;  unten: © iStockphoto.com/NUMAX3D

Arbeitsschwerpunkte der BiUSe

Ziel der BiUSe-Tätigkeit ist die qualitative Verbesserung von inklusivem Unterricht und inklusiver Schule. BiUSe arbeiten mit einzelnen Lehrkräften, auf Schulebene und regionaler Ebene, jedoch nicht in der pädagogischen Einzelfallberatung. Die Tätigkeit der BiUSe wird durch drei Arbeitsschwerpunkte bestimmt, die teilweise miteinander verzahnt sind.


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Fortbilden

Netzwerken

Beraten

© ISB: Cover des Konzepts

Beratungsfokus: QualiPS

QualiPS steht für das Konzept zur Qualitätssicherung und -entwicklung an Grund- und Mittelschulen mit dem Schulprofil „Inklusion“ unter Einbindung der Beauftragten für die inklusive Unterrichts- und Schulentwicklung.

Für eine gelingende Inklusion an der Einzelschule braucht es ein tragfähiges Netzwerk. Um über die Vernetzung der Grund- und Mittelschulen mit Schulprofil „Inklusion“ deren inklusive Entwicklung zu unterstützen, implementierte das Staatsministerium für Unterricht und Kultus im Schuljahr 2022/23 schrittweise dieses Konzept. 

Ziel des Konzepts ist u. a., die Unterrichts- und Schulentwicklung von Grund- und Mittelschulen mit dem Schulprofil Inklusion durch eine Netzwerkstruktur vor allem auf lokaler Ebene voranzubringen. Die BiUSe sind in dieses Konzept mit vielfältigen Aufgaben eingebunden, beispielsweise bei der Organisation von Vernetzungstreffen oder der kollegialen Hospitation.

QualiPS

© ISB

Beratungsfokus: Inklusive Positive Schulentwicklung

Gelingende, umfassende inklusive Schulentwicklung ist inhaltlich und als Prozess komplex. Die BiUSe wurden in einer aufwändigen und intensiven Lehrgangssequenz an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) in Dillingen ausgebildet, um Grund- und Mittelschulen in ihrem Zuständigkeitsbereich bei der Entwicklung inklusiver Unterrichtskonzepte und bei ihrer inklusiven Unterrichts- und Schulentwicklung beraten und begleiten zu können. 

Das Konzept zur inklusiven, positiven Schulentwicklung (INPOSE) unterstützt die BiUSe bei dieser Tätigkeit. Dieses Konzept wurde vom Arbeitskreis „Beratung für inklusive Schulentwicklung“ am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) basierend auf aktuellen Erkenntnissen aus der Forschung zu Inklusion (vgl. Heimlich, 2018) und Prozessbegleitung (vgl. Lichtinger, 2022) erarbeitet. 

Als wissenschaftlich begründetes Konzept hat INPOSE den Anspruch, die vielschichtigen Realitäten zu erfassen und Schulen auf ihrem inklusiven Weg konkret handlungsfähig zu machen. 

Für die BiUSe stellt INPOSE eine Arbeitsgrundlage in der Begleitung und Beratung dar. Der Prozess verbindet bewusst die beiden Elemente Begleitung und Beratung. Bei der Erstellung wurden Kenntnisse und Kompetenzen aller Beteiligten (BiUSe, Schulämter, ISB-AK, Bezirksregierungen, Staatsministerium für Unterricht und Kultus) einbezogen. Der Prozess als Ganzes mit seinen einzelnen Schritten skizziert einen idealtypischen Verlauf und ist auf die ungefähre Dauer eines Jahres angelegt. Er gliedert sich in sechs Phasen.

INPOSE

oben: © iStockphoto.com/http://www.fotogestoeber.de

unten: © ISB (2023)

„Kompasse” als Handlungshilfe

Als Handlungshilfe zur Umsetzung und Begleitung der Inklusiven Positiven Schulentwicklung (INPOSE) wurden am ISB die so genannten „Kompasse” entwickelt. Sie konkretisieren detailliert das Handeln in der Prozessbegleitung und vermitteln so für die BiUSe Handlungssicherheit und Orientierung. Die Kompasse bilden sechs essenzielle Prozessschritte ab. Jeder Kompass hat die gleiche Struktur. Beginnend mit dem Titel (1) werden die einzelnen Handlungsschritte genannt und verortet (2). Die Grundlagen der positiven Psychologie und eines weitgefassten Inklusionsverständnisses spiegeln sich in den für den einzelnen Kompass wichtigen Haltungen (3) und Zielen (4) wider, die den genau beschriebenen Handlungsschritten des Kompasses (5) vorangestellt sind. Letztere beschreiben als Leitfaden die konkreten Arbeitsweisen und Schlüsselmomente der Begleitung und Moderation. 

INPOSE verbindet bewusst die beiden Elemente Begleitung und Beratung. Erweiternde Bausteine, die entweder zwischen den Kompassen II und III A angedockt werden (beispielsweise „Inklusiver Unterricht”) oder während des Prozesses bei Bedarf flexibel einsetzbar sind (beispielsweise „Team”), sind ebenso mit einer Handlungshilfe unterlegt. Sie ist bezüglich der Haltungen, Ziele und Handlungsschritte analog zu den Kompassen aufgebaut. Diese Handlungshilfen werden aktuell vom AK „Beratung für inklusive Schulentwicklung” erarbeitet. 

Auftakt und Ist-Stand

Der Kompass I „Auftakt und Ist-Stand" gibt Hinweise für den Start in den Prozess. Ziel dieser Phase ist es insbesondere, dass Schulen und BiUSe miteinander in Beziehung treten und erste Eindrücke zur inklusiven Situation und zu den Ressourcen der Schule sowie zur Arbeitsweise der BiUSe gewinnen.

Informationsveranstaltung

Nach dem Kennenlernen und Austausch zu Inklusion mit der Schulleitung und der Steuergruppe der Schule wird im Rahmen der in Kompass II skizzierten „Informationsveranstaltung“ erstmals mit dem gesamten Kollegium gearbeitet. Zum einen dient die Informationsveranstaltung dazu, unterschiedliche Auffassungen von Inklusion im Kollegium sichtbar zu machen sowie für diese Vielfalt an inklusiven Vorstellungen zu sensibilisieren. Darüber hinaus soll sie über aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft zur Inklusion informieren. Diese Erweiterung des Wissens über Inklusion ist notwendig, da sie nachweislich Einfluss auf die Haltung gegenüber Inklusion hat.

Visionsarbeit und Zielfindung

Die nun folgenden beiden Kompasse IIIa und IIIb richten ihren Blick im Sinne des Wachstumsdenkens auf die Zukunft. Der dritte große Abschnitt auf dem Weg zur inklusiven Schule im Zuge des INPOSE beschäftigt sich mit dem Finden inklusiver Ziele der Einzelschule. Diese werden, aufbauend auf Visionen, über Leitziele bis hin zu SMARTen Zielen konkretisiert. Eine solche umfassende gedankliche Auseinandersetzung bedarf entsprechend Zeit. Diese bewusst einzuplanen, ist nicht nur aus wissenschaftlich-theoretischen Überlegungen heraus, sondern auch unter Einbezug von Erfahrungen aus der Praxis unabdingbar und immer lohnenswert.

Beratung und Durchführung

Im Verlauf von Kompass IIIb werden vom Kollegium SMARTe Ziele entwickelt, die es nun umzusetzen gilt. Kompass IV gibt eine Orientierungshilfe, wie eine solche Überführung in die Praxis gelingen kann. Zunehmend rücken die Aktivitäten der Lehrkräfte, die zur Zielerreichung führen, in den Fokus, während den BiUSen im Hintergrund koordinierende Aufgaben obliegen. Sie haben die Teilgruppen sowie die Gesamtgruppe im Blick, nehmen aber auch mögliche inhaltliche oder prozessuale Hürden wahr, um bei Bedarf beratend oder vorsichtig steuernd eingreifen zu können.

Evaluation

Die in Kompass V dargestellte „Evaluation” nimmt im Gesamtprozess eine entscheidende Rolle ein. Neben der Überprüfung der Ziele dient die Veranstaltung vor allem der Zusammenschau der Ergebnisse der Untergruppen, welche sich in der Phase der Durchführung weitgehend autonom unterschiedlichen Teilzielen widmeten. Der Überblick über die Arbeitsergebnisse der einzelnen Gruppen schafft für alle Beteiligten Transparenz und ist von großer Relevanz, da er einen Rückbezug zu gemeinsamen Leitzielen und Haltungen herstellt.

Schlussfolgerungen

Kompass VI „Schlussfolgerungen“ steht in enger inhaltlicher Verbindung zu Kompass V „Evaluation“. So bilden die Ergebnisse der Evaluation die Grundlage für die Schlussfolgerungen, aus denen das Kollegium weiteres Handeln ableitet. Darüber hinaus werden die Kolleginnen und Kollegen mithilfe einer Ratingkonferenz zur Evaluation des Gesamtprozesses angeleitet. Grundlage bildet ein Wachstumsdenken, welches Erfolge wahrnimmt und Fehler als Lernchance betrachtet. Dabei soll ein Bewusstsein für die Möglichkeit sowie Notwendigkeit geschaffen werden, Ziele und erarbeitete Ergebnisse immer wieder zu verändern und zu verwerfen.

Kompass für den Baustein „Inklusiver Unterricht”

Beim Baustein ‚Inklusiver Unterricht‘ liegt der Schwerpunkt in der didaktischen Beratung des Kollegiums. Die BiUSe stellen verschiedene Möglichkeiten vor, den Unterricht bezüglich seiner inklusiven Qualität weiterzuentwickeln und bieten zu ausgewählten Unterrichtsmethoden und Unterrichtsmodelle vertiefende Fortbildungen an.

Eine ausführlicher Darstellung der einzelnen Kompasse finden Sie im Folgenden:

Kompass I 

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Kompass III 

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Kompass V

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Kompass „Inklusiver Unterricht”

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Kompass II

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Kompass IV  

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Kompass VI

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Tanja Beattie
Referentin für inklusive Schul- und Unterrichtsentwicklung


Empfohlene Zitierweise

Beattie, T. (2023): Die Beauftragen für inklusive Schul- und Unterrichtsentwicklung. Auf dem Weg zur inklusiven Schule. In: Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) (Hrsg.), ISB-Info „Fokus Schulentwicklung. Partizipativ – lebendig – innovativ". Verfügbar unterhttps://isb-magazin.de/isb-info/isb-info-schulentwicklung/auf-dem-weg-zur-inklusiven-schule.

Literaturverzeichnis

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (Hrsg) (2023): Inklusive Positive Schulentwicklung. Wie Schulen sich und ihren Unterricht inklusiv entwickeln und welche Begleitung ihnen dabei hilft, München.

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 20.01.2020: Unterstützung der Inklusion durch die „Beauftragten für inklusive Unterrichts- und Schulentwicklung“ (III.3 – BS7306.7 – 4b. 709).

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 12.05.2022: Weiterführung von Inklusionsmaßnahmen an Grundschulen und an Mittelschulen im Schuljahr 2022/2023 (III.3-BS7306.7/65/3), S. 12.

Weitere Literaturhinweise:

Böhme, R., Mehlich, A. & Munser-Kiefer, M. (2021): Unterricht in inklusiven Klassen. In: Rank, A., Frey, A. & Munser-Kiefer, M. (Hrsg.): Professionalisierung für ein inklusives Schulsystem, Bad Heilbrunn, S. 71-116.

Heimlich, U., Wilfert, K., Ostertag, Ch. & Gebhardt, M. (2018): Qualitätsskala zur inklusiven Schulentwicklung (QU!S®) – eine Arbeitshilfe auf dem Weg zur inklusiven Schule, Bad Heilbrunn.

Lichtinger, U. (2022a): Positive Schulentwicklung. Positive Psychologie in der Schulentwicklung für die Beratung und Prozessbegleitung, Wiesbaden.

Lichtinger, U. (2022b): Schule wird gelingen mit Flourishing SE. Das Praxishandbuch der Positiven Schulentwicklung, Hürth. 

Sasse, A., Schulzeck, U. (2021): Die pädagogischen und psychologischen Grundlagen der Differenzierungsmatrix. In: Sasse, A. & Schulzeck, U.: Inklusiven Unterricht planen, gestalten und reflektieren, Bad Heilbrunn, S.11-34.

Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (Hrsg.) (2023): Inklusive Positive Schulentwicklung. Wie Schulen sich und ihren Unterricht inklusiv entwickeln und welche Begleitung ihnen dabei hilft, München.

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