Das Fach Sozialwesen an bayerischen Schulen
Das Fach Sozialwesen ist ein Profilfach der Wahlpflichtfächergruppe IIIb an Realschulen in Bayern und erfreut sich großer Beliebtheit. Jedes Schuljahr entscheiden sich etwa 1.000 Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 7 dafür. Im Vergleich zu den anderen Wahlpflichtfächergruppen verzeichnet das Fach jährlich eine leichte Zunahme an Schülerinnen und Schülern. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich mit Menschen, ihren Handlungen und sozialen Beziehungen zu beschäftigen. Das Fach fördert das Verständnis für soziale Verantwortung und unterstützt die Lernenden dabei, sozial verantwortungsbewusst zu handeln.
In Sozialwesen erarbeiten die Schülerinnen und Schüler nicht nur theoretisches Wissen, sondern erfahren auch praktische Anwendungsmöglichkeiten. Durch Rollenspiele und Fallbeispiele können sie ihre sozialen Kompetenzen entwickeln und gezielt in ihrem eigenen Leben einsetzen. Ein wichtiges Merkmal des Fachs Sozialwesen ist, dass es oft keine eindeutig richtigen oder falschen Antworten gibt. Stattdessen werden die Schülerinnen und Schüler ermutigt, Sachverhalte differenziert zu betrachten und angemessen zu argumentieren. Dies fördert ihre Fähigkeiten zur kritischen Analyse und ermöglicht es ihnen, verschiedene Perspektiven zu verstehen und zu respektieren. Angesichts des zunehmenden Bedarfs an Fachkräften im sozialen Bereich, der insbesondere durch den demographischen Wandel und das Streben nach einer inklusiven Gesellschaft bedingt ist, nimmt die Bedeutung des Fachs auch gesellschaftlich stetig zu.
Kooperative Entwicklung von Unterrichtsmaterialien im Projekt „Gemeinsam Sozialwesen“
Gemeinsam mit Philipp Hankel, dem Fachreferenten am ISB (bis Juli 2023), entstand die Idee, die Arbeit fortzusetzen und weitere Lehrkräfte zur Mitarbeit einzuladen. Eine Gruppe von acht Lehrkräften startete mit einem Jahresplan der Unterrichtsverteilung in der Jahrgangsstufe 7. Sie bereiteten Unterrichtseinheiten vor und erhielten im Anschluss Feedback von einer Tandempartnerin oder einem Tandempartner. Um kooperativ arbeiten zu können, wurden die Materialien in einem gemeinsamen mebis-Kurs gesammelt.
Zusätzlich entwickelten die Lehrkräfte ein Corporate Design, den Namen „Gemeinsam Sozialwesen“, ein Logo sowie ein einheitliches Layout und Gestaltungselemente. Klare Vorgaben regelten, wie Bilder und Texte in Arbeitsmaterialien einzubinden sind.
(Un-)Bewusst erfüllten die an diesem Projekt beteiligten Lehrkräfte damit auch Hatties Erkenntnis der kooperativen Unterrichtsentwicklung (vgl. Hattie, 2023), um letztlich die Lernwirksamkeit zu erhöhen. So setzt das System der Tandempartnerinnen und Tandempartner geradezu exemplarisch Hatties Forderung nach einem „critical friend“ um. Jede einzelne erstellte Unterrichtseinheit erfährt ja ein Feedback mit Hinweisen und Verbesserungsvorschlägen, bevor sie im mebis-Kurs erscheint. Die Zusammenarbeit für „Gemeinsam Sozialwesen“ war „Teamarbeit in ihrer produktivsten Form“ (Buhren, 2020, S. 111).
Ausblick: Weiterentwicklung und neue Ziele des Projekts
Bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 wuchs die Gruppe auf etwa 30 Lehrkräfte an. Aktuell beteiligen sich mehr als 100 Lehrkräfte und ein Einstieg ist jederzeit möglich über eine E-Mail an den ISB-Referenten Dr. Hans-Peter Eckart (Kontakt siehe unten).
Eine Evaluation des Projekts ergab hervorragende Ergebnisse: Die teilnehmenden Lehrkräfte gaben eine durchschnittliche Zeitersparnis von über 70 Stunden pro Jahrgangsstufe an. Die Gesamtnote für das Projekt war mit 1,3 sehr gut.
Knapp 200 Unterrichtseinheiten wurden sorgfältig vorbereitet, umfangreich ausgearbeitet und sind bereit zur Verwendung, d. h. sie stehen über mebis nach Einschreibung in den betreffenden Kurs zum Download zur Verfügung.
Doch die Arbeit soll damit natürlich nicht enden. Um die Kreativität der Gruppe weiter zu nutzen, setzte sich „Gemeinsam Sozialwesen“ neue Ziele. Aktuell entwickeln die Lehrkräfte Beispiele für Leistungserhebungen, digitale Lernaufgaben, Selbstlernkurse für Schulaufgaben und vieles mehr. Darüber hinaus liegen ein Babysitter-Führerschein sowie ein digitaler Escape Room vor, der Grundbegriffe und Themen der Jahrgangsstufen 7 bis 10 beinhaltet.
Fazit
Insgesamt ist das Projekt „Gemeinsam Sozialwesen“ ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Lehrkräfte kooperativ hochwertige Unterrichtsmaterialien entwickeln können, um den Bedarf an Lehrbüchern zu kompensieren. Es zeigt die Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung bieten, und wie Lehrkräfte ihre Ressourcen optimal nutzen können, um den Schülerinnen und Schülern einen abwechslungsreichen Unterricht und eine qualitativ hochwertige Ausbildung im Fach Sozialwesen zu bieten.
Philipp Hankel
ehem. Fachreferent Geschichte, PuG, Sozialwesen, Soziallehre (Realschule)
Dr. Hans-Peter Eckart
Fachreferent Geschichte, PuG, Sozialwesen, Soziallehre (Realschule)
Empfohlene Zitierweise
Empfohlene Zitierweise
Eckart H.-P. & Hankel, P. (2023): Gemeinsam Sozialwesen. Kollektive Unterrichtsvorbereitung in einem Profilfach der Realschule. In: Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB) (Hrsg.), ISB-Info „Fokus Schulentwicklung. Partizipativ – lebendig – innovativ". Aufzurufen unter: https://isb-magazin.de/isb-info/isb-info-schulentwicklung/schulentwicklung-bei-herausforderndem-verhalten.
Literaturverzeichnis
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