Gemeinsame Ankündigung

Vereinte Erwachsenen-Präsenz als gewaltloser Widerstand

Haltung

  • Wir schätzen dich wert, akzeptieren dich als Person und gleichzeitig akzeptieren wir dein gezeigtes Verhalten nicht.
  • Wir sehen uns als ein Team, das sich gegenseitig sowie die Schülerinnen und Schüler unterstützt- gerade bei Problemen.
  • Wir fungieren als Netz(werk), das die gesamte Schulfamilie umspannt.

Worum geht's?

Es gibt Verhaltensweisen einzelner Schülerinnen und Schüler, Gruppen oder ganzer Schulklassen, die Unterricht und/oder das friedliche Miteinander an einer Schule erschweren, vergiften oder unmöglich machen. Trotz Interventionen einzelner Lehrkräfte können sich solche Dynamiken verfestigen.

Exemplarisch werden hier einige Beispiele genannt:

  • Ein Schüler stört über einen längeren Zeitraum den Unterricht durch provokante und freche Äußerungen.
  • Im Unterricht und in der Pause geraten zwei Schülerinnen immer wieder aneinander, indem sie sich gegenseitig provozieren und schnell handgreiflich werden.
  • Wiederholt gibt es Vandalismus auf der Toilette, der schwer aufzuklären ist.

Diese Verhaltensweisen werden nicht geduldet. Teilweise ist es jedoch schwer, diesen als Einzelperson beizukommen. 

Deshalb gilt es, diesen nicht im Einzelkämpfertum zu begegnen, sondern sich im Team zusammenzuschließen und gemeinsam Verantwortung für das Unterrichts- und Schulgeschehen zu übernehmen. Als Kollektiv stellt man sich den Störungen. Zwar sind die Lehrkräfte meist weiterhin alleine in ihrer Klasse. Ziel ist es aber, dass sie von den Kindern und Jugendlichen als Teil eines starken Kollektivs wahrgenommen werden.

Was tun wir konkret?

So viele Erwachsene wie möglich betreten gemeinsam das Klassenzimmer des betreffenden Lernenden bzw. der Klasse und stellen sich in einer Reihe nebeneinander vor den Schülerinnen und Schülern auf.

In dieser „geballten“ Präsenz werden drei Statements von einem Erwachsenen (oder mehreren) vorgebracht:

Beschreibung des unerwünschten Verhaltens, beispielsweise

Wir sind alle gekommen, um dir Folgendes mitzuteilen: 

Du störst den Unterricht. 

Du sagst folgende Wörter: ___________. 

Du beschimpfst Frau/ Herrn ___________ mit folgenden Wörtern: ___________. 

Wir dulden dieses Verhalten nicht.

 

Erwartung an den Schüler/ die Schülerin, beispielsweise: 

Wir erwarten folgendes Verhalten:

Du sprichst höflich und freundlich zu Erwachsenen und Mitschülerinnen und Mitschülern.

Du meldest dich, wenn du etwas sagen möchtest.

Du unterlässt Störungen.

 

Überprüfung des Verhaltens, beispielsweise in Form eines Laufzettels:

Wir werden dein Verhalten in den kommenden zwei Wochen genau beobachten und überprüfen.

Deine Klassenleitung kreuzt jeden Tag am Unterrichtsende auf dem Laufzettel an, wie dein Verhalten war.

Mit diesem Laufzettel gehst du jeden Tag nach dem Unterricht zu vier verschiedenen Lehrerinnen und Lehrern und der Schulleitung. Dort erklärst du jeweils das Kreuz auf deinem Laufzettel und holst dir deren Unterschrift.

Worauf ist zu achten?

Haim Omer und Regina Haller nennen in diesem Zusammenhang einige Grundregeln:

  • Der gemeinsame Auftritt der Erwachsenen erfolgt für den Lernenden bzw. die Klasse überraschend. Die „Dramaturgie“ soll bewusst gestaltet werden.
  • Die Erwachsenen stellen sich vor die Klasse. Setzen sie sich zwischen die Schülerinnen und Schüler oder stehen sie abseits, schwächt das die Wirkung des Auftritts.
  • Die inakzeptable Verhaltensweise und die positive Verhaltenserwartung müssen im Vorfeld genau definiert und spezifisch beschrieben werden.  Allgemeine Aussagen („Du hast dich gestern unmöglich benommen.“) sind nicht zielführend. Auch die Statements der unterschiedlichen Lehrkräfte werden im Vorfeld abgesprochen.
  • Die Statements der Erwachsenen sind kurz und prägnant.
  • Sie verzichten auf Schuldzuweisungen, lange Mahnreden oder Drohungen („Wenn das nicht klappt, dann…“).
    • Aussagen wie „Wir hoffen, das wird jetzt besser…“ sind nicht angebracht. Im Begriff „Hoffen“ schwingt ein Zweifel mit, für den kein Platz gelassen werden soll. Die Erwachsenen sind überzeugt, dass die formulierten Erwartungen erfüllt werden können.
    • Alle Erwachsenen bekräftigen jeweils die Aussagen ihrer Kollegen und Kolleginnen durch Kopfnicken, Körperhaltung und Mimik.
  • Verschiedene Arten der Überprüfung (z.B. Stempelkarte, terminierte individuelle Gespräche) unterstreichen, dass es die Erwachsenen ernst meinen.
  • Zum Erwachsenen-Team gehören nicht nur Lehrkräfte. Alle an der Schule arbeitende Personen können dem Sit-in beiwohnen: Erzieherinnen und Erzieher, Sekretärinnen und Sekretäre, Hausmeisterin und Hausmeister.

Was nimmt man wahr?

  • Die gemeinsame Ankündigung hinterlässt Eindruck. Der Respekt steigt.
  • Sowohl die Ankündigung als auch der Laufzettel zeigen den betroffenen Kindern und Jugendlichen, dass an der Schule Transparenz gelebt wird. Zudem wird die Botschaft vermittelt: Ich werde von allen an der Schule gesehen. Mein Verhalten – sowohl positives als auch negatives – ist allen an der Schule wichtig.
  • Lehrkräfte in belasteten Situationen erfahren Psychohygiene durch Unterstützung und Entlastung.

Wie sieht das aus?

Der Laufzettel dient der Überprüfung des gezeigten Verhaltens.

"Gemeinsame Präsenz"

Gabriele Dengler-Schaible, Schulleitung, erklärt das Vorgehen und die Wirkungsweise. (1:55)

"Alle Lehrkräfte ziehen an einem Strang..."

Julian Söhnlein, HFL, beschreibt die Wirkung gemeinsamer Präsenz. (1:15)

"Das Sinnvolle am Sit-In aus meiner Sicht ist..."

Sabrina Töpfer, Sonderpädagogin, berichtet von den pädagogischen Vorteilen. (1:02)

Belege

  • Omer, Haller 2019: Raus aus der Ohnmacht: Das Konzept Neue Autorität für die schulische Praxis, 113 f.

Dieser Baustein wurde an der Bartolomeo-Garelli-Schule erarbeitet und erprobt.

Zugehörige Theoriemerkmale:

"Präventive Wende" als bewusste Entscheidung in der pädagogischen Schulentwicklung.

Haltungsbasierte Reaktionen schaffen Handlungssicherheit.

Nährboden für gelingende pädagogische Prozesse im Kollegium.

Dieser Artikel ist ein Baustein der ISB-Veröffentlichung

Haltung und Handlungssicherheit –

Schulentwicklung bei herausforderndem Verhalten.

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Bilder: © ISB. Miriam Schneider / Rosalie Heinen