Die Bewährungsklasse

Weniger Überforderung mit überforderten Schülerinnen und Schülern

Haltung

  • Ich nehme Dich an, so wie Du bist. 
  • Du hast einen sicheren und festen Platz an unserer Schule und in Deiner Klasse. 
  • In Deiner gegenwärtigen Krise setzen wir für Dich einen kleineren bzw. anderen Rahmen.
  • Wenn Du wieder Verantwortung für Dein Handeln übernehmen kannst, dann übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass Du wieder am Unterricht in Deiner Klasse teilnehmen kannst.

Worum geht's?

Gravierendes Fehlverhalten und schwerwiegende Krisen von Schülerinnen und Schülern führen häufig zu Überlastungen der Schulgemeinschaft und ihrer Angebotsformen, vornehmlich Klassenunterricht. Ordnungsmaßnahmen wie der Unterrichtsausschluss sind eine häufige Konsequenz. Dies kann jedoch zu einem unerwünschten Beziehungsabbruch und in Drop-Out-Dynamiken führen.

Was tun wir?

Das Konzept der Bewährungsklasse ermöglicht die Aufrechterhaltung der Beziehung und Förderung in der akuten Krise. Lehrkräfte und das System Schule können handlungsfähig bleiben. Eine Schülerin oder ein Schüler wird für mindestens fünf Schultage außerhalb seiner Stammklasse unterrichtet. Um wieder in ihre Stammklasse zu dürfen, müssen sich Schülerinnen und Schüler zunächst in dieser besonderen Maßnahme bewähren.

Wer tut was?

  • Nach erfolgreicher Deeskalation der akuten Krise entscheiden das Klassen- und Leitungsteam über die Aufnahme der Schülerin oder des Schülers in die Bewährungsklasse. Bis zu drei Schülerinnen und Schüler können gleichzeitig in der Bewährungsklasse sein.
  • Das Klassenteam legt bis zu drei individuelle Verhaltens- und Lernziele für die Zeit in der Bewährungsklasse fest und stellt das notwendige Unterrichtsmaterial zur Verfügung. In einem Gespräch werden der Schülerin bzw. dem Schüler die Ziele erklärt, deren Erreichen die Grundlage für die Rückkehr in die Klasse darstellt. 
  • Das Team der Bewährungsklasse bewertet zweimal täglich mit der Schülerin oder dem Schüler die Verhaltens- und Lernziele.
  • Nach einer Woche beraten Klassen- und Leitungsteam über das weitere Vorgehen.

Warum ist uns das wichtig?

Viele Kinder und Jugendliche haben häufig die Erfahrung gemacht, dass sie durch ihr Verhalten in Krisen die für sie verantwortlichen Erwachsenen und zuständigen Betreuungssysteme in Ohnmachtssituationen versetzen können.

Vielfach verstärken die Reaktionen von Mitschülerinnen und Mitschülern oder aus der Peergroup die Problematik, weil sie als positiv oder unterstützend empfunden werden.

Die Bewährungsklasse bietet auch in der Krise haltgebende Strukturen und die Möglichkeit, Pädagoginnen und Pädagogen zu erleben, die sich nicht verunsichern lassen, sondern Antworten haben und in Beziehung bleiben.

Das Konzept gibt Kindern und Jugendlichen eine realisierbare Chance, Mitverantwortung für eine Veränderung der Situation übernehmen zu können.

Worauf ist zu achten?

Die Maßnahme basiert auf der Erfahrung und dem Vertrauen, dass Schülerinnen und Schüler auch in Krisen den Wunsch nach Normalität und den gewohnten sozialen Kontakten des Klassenverbundes haben. In der Regel ist die Motivation, wieder in die Klasse zu wollen, sehr hoch.

Die Zeit in der Bewährungsklasse ist sehr intensiv (bisweilen 1 zu 1-Betreuung) und ermöglicht neben der Erledigung der unterrichtlichen Arbeitsaufträge auch wertvolle Auseinandersetzungen ohne die „normierenden Strukturen“ einer Klasse bzw. eines regulären Schulbetriebes. Sei es für Gespräche, Schweigen, Spaziergänge...

>> Essay: Eine Woche in der Bewährungsklasse

Die Erfahrung zeigt, dass das Konzept am besten funktioniert, wenn Lehrkräfte auf freiwilliger Basis in der Bewährungsklasse eingesetzt werden.

Was nimmt man wahr?

Eine schnelle Entlastung der Klasse, der Schule, der Mitschülerinnen und Mitschüler, des Personals und meist auch des betroffenen Kindes oder Jugendlichen.

Die Verlagerung der Krise aus dem Klassenrahmen heraus zeigt sofort positive Wirkung in der Klasse. Dort ist jetzt ein neuer Rahmen, z.B. um über den krisenhaften Jugendlichen zu sprechen, wie man ihn bald wieder eingliedern könne, aber auch wie man sich in Zukunft ihm gegenüber verhalten könne.

Und nahezu immer ist zu beobachten: der Jugendliche bzw. die Jugendliche will wieder in seinen Klassenbezug. Er hat Vertrauen in ein schulisches Umfeld, das ihm neben Chancen auch Grenzen bieten kann. Die durchschnittliche Verweildauer in der Bewährungsklasse beträgt ca. zwei Schulwochen. Zumeist ist dann eine stabile Basis für die Rückkehr in die Klasse gelegt.

Geht es auch anders?

Das Konzept bietet auch Raum für individuelle Kombinationen mit weiteren Strukturen:

  • Bewährungsklasse plus, intern: Die Betreuungszeit der Bewährungsklasse wird um schulische Strukturen erweitert (z.B. die Teilnahme an einem praktischen Fach, weil es in dieser Gruppe bzw. mit dieser Lehrkraft gut läuft).
  • Bewährungsklasse plus, extern“: Die Betreuungszeit der Bewährungsklasse wird um eine Übergangszeit erweitert, um den Anschluss weiterer Hilfen zu gewähren, z.B. kann die Lehrkraft länger in der Bewährungsklasse bleiben, um die Übergabe an den Erziehungsbeistand sicherzustellen.
  • Bewährungsklasse minusDie Betreuungszeit der Bewährungsklasse kann auch verkürzt werden (z.B. späterer Unterrichtsbeginn, wenn bereits auf dem morgendlichen Schulweg Konflikte anzunehmen sind).

Wie sieht das aus?

Der Raum der Bewährungsklasse ist ein reizarm gestalteter Arbeitsraum.

Entlastung und Chance für neue Lösungen

Stimme aus dem Kollegium  (0:23 Min.).

Signalwirkung und Aufrechterhaltung der Beziehung

Stimme aus dem Kollegium (1:17 Min.).

Dieser Baustein wurde an der Adolph-Kolping-Schule erarbeitet und erprobt.

Zugehörige Theoriemerkmale:

"Präventive Wende" als bewusste Entscheidung in der pädagogischen Schulentwicklung.

Haltungsbasierte Reaktionen schaffen Handlungssicherheit.

Nährboden für gelingende pädagogische Prozesse im Kollegium.

Dieser Artikel ist ein Baustein der ISB-Veröffentlichung

Haltung und Handlungssicherheit –

Schulentwicklung bei herausforderndem Verhalten.

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Bilder: © ISB. Andreas Feiler