Das MarKo-Modell

... ein Kooperationsmodell zwischen Schule und Jugendhilfe für Kinder und Jugendliche, die im bestehenden (Förder-)Schulsystem scheitern.

Haltung

  • Du bist es wert!
  • Wir, Jugendhilfe und Schule, geben dich auch schulisch nicht auf.
  • Wir holen dich da ab, wo du stehst – gerade, wenn es im „Keller“ ist. 
  • Wir kommen dir schulisch soweit entgegen und passen das Setting so an dich an, wie du es im Moment benötigst.
  • Wir versuchen mit dir kurz-, mittel- oder langfristig den Weg zurück an das SFZ, an das FZ esE oder an die Regelschule zu beschreiten.

Worum geht's?

Die Abkürzung „MarKo“-Modell steht für das Martinsberger Kooperationsmodell in der Stadt Naila in Oberfranken. 

Gemeint ist damit die Kooperation zwischen dem Sonderpädagogischen Förderzentrum „Schule am Martinsberg“ und der stationären Jugendhilfeeinrichtung „Kinder- und Jugenddorf Martinsberg“.

Die Besonderheit dieses Modells fußt auf der engen und gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe, wobei beide Bereiche eine eindeutige Spezialisierung aufweisen. 

Wir heißen dich auf der MarKo-Insel willkommen!

Im Fokus dieses Konzepts stehen Kinder und Jugendliche, die in Regel- und Förderschulen scheitern. Lehrkräfte nehmen in diesen Fällen oft wahr, dass diese Kinder und Jugendliche große Probleme haben, sich in einem Mindestmaß in eine Gruppe zu integrieren, so dass auch der Schulbesuch in einer Schule oder Klasse mit dem Förderschwerpunkt esE gefährdet ist oder scheitert. 

Oft stehen bei diesen Kindern und Jugendlichen eine schwere Störung des Sozialverhaltens und die damit einhergehende mangelnde Gruppenfähigkeit sowie komplexe kinder- und jugendpsychiatrische Störungsbilder im Vordergrund.

Zielgruppe sind also Schülerinnen und Schüler, bei denen alle bestehenden schulischen Angebote bisher nicht erfolgreich waren. Demoralisierung und Ablehnung gegenüber Schule und verlorenes Zutrauen in die eigene Person, in den eigenen Wert und in das eigene Können sitzen bei ihnen tief. 

Das Martinsberger Kooperationsmodell schafft ein neues schulisches Setting, das möglichst passgerecht für das beschriebene Klientel entwickelt und ausgestaltet wurde.

Es ist schulisch niederschwellig, mit klaren Strukturen und Regeln, mit einer ausgeprägten Willkommenskultur und immer mit dem kurz-, mittel- oder langfristigen Ziel der Rückkehr in die Stammklasse.

Seinen Ursprung hat das MarKo-Modell im Therapeutischen Hausunterricht, der durch die Konzentration auf emotionales und soziales Lernen schrittweise zum heutigen Setting weiterentwickelt wurde.

Wodurch legitimiert sich das MarKo-Modell?

Seine schulrechtliche Legitimation erhält das Modell durch den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 13./14.05.2004 mit dem Titel „Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe zur Stärkung und Weiterentwicklung des Gesamtzusammenhangs von Bildung, Erziehung und Betreuung.“

Darin heißt es:

Insbesondere für die Kinder und Jugendlichen mit massiven Problemen und für Schulverweigerer mit langen Ausfallzeiten sind gemeinsame Angebote auszubauen, in denen schulische und Jugendhilfeangebote zusammenwirken, um den Alltag der Kinder und Jugendlichen in einer von ihnen akzeptierten und vor allem für sie förderlichen Weise zu gestalten.“

Wie sehen die Rahmenbedingungen im MarKo-Modell aus?

Personelle Bedingungen

Der Begriff „Kooperationsmodell“ inkludiert bereits die Vielzahl der Kooperationen zwischen Personen und Institutionen. Diese sind Voraussetzung, damit das Modell gelingen kann.

Täglich vor Ort, in den Räumlichkeiten des MarKo-Modells, sind zwei HPUs bzw. HPFs mit jeweils 20 Wochenstunden. Sie sind als Coaches für den Einzelunterricht „ihrer“ Kinder zuständig, d.h. jedes MarKo-Kind hat einen festen Coach. Eine weitere Erzieherin trägt die Verantwortung für die Basisgruppe. In der Basisgruppe sind die Kinder und Jugendlichen, wenn sie gerade nicht unterrichtet werden. Hier kann allein, mit einem Partner oder in einer Kleingruppe gelesen, gespielt, gekocht, geredet oder einfach entspannt werden.

Das MarKo-Modell bietet Platz für acht Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters.

Stand 10.11.2021: Die MarKo-Gruppe setzt sich aus zwei Mädchen und sechs Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren zusammen. Sechs Kinder kommen aus dem Kinderdorf, zwei Kinder wohnen bei ihren Eltern und werden täglich mit einem Sammelbus hin und zurück transportiert. 

Räumliche Bedingungen

Die Räume sind hell, modern eingerichtet, wohnlich und eindeutig strukturiert gestaltet. Eine Willkommenskultur, die erste Hemmschwellen abbaut und zum Betreten einlädt.

Die Räume befinden sich nicht in der Schule, sondern auf dem Gelände des Kinderdorfs, in einem separaten Haus.

Die Räumlichkeiten umfassen vier Zimmer: 

  • ein großes Zimmer, das mit einer kleinen Küche, zwei großen Tischen, Sesseln, Büchern und Spielmaterialien ausgestattet ist. Hier halten sich die Kinder auf, die gerade keinen Unterricht haben (=Basisgruppe) 
  • drei kleinere Zimmer, die als Unterrichtsräume dienen und jeweils mit einem Lehrerpult, einem oder zwei Schülerpulten, Tafel, Laptop usw. bestückt sind.

Alle Rituale, die gemeinsamen Regeln, die Individualziele und die Tagesstruktur jedes einzelnen Kindes sind groß auf Tafeln visualisiert und somit für alle transparent.

Zeitliche Bedingungen

Das MarKo-Modell heißt die Kinder und Jugendlichen von Montag bis Freitag jeweils von 7.45 bis 11.30 Uhr willkommen. Im Anschluss besuchen sie ihre individuelle Jugendhilfemaßnahme.

Wie gestalten sich die Zusammenarbeit und Zuständigkeit im MarKo-Modell?

Zusammenarbeit und Zuständigkeiten

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Wichtig ist eine klare Trennung zwischen dem schulischen Aufgaben- und Entscheidungsbereich und dem Aufgaben- und Entscheidungsbereich der Jugendhilfe.


Wie gestaltet sich der idealtypische Ablauf eines Förderprozesses?

Zeitliche Ablauf

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Anbei ist der erprobte Prozess der Martinsberger Schule in Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe von der Aufnahme bis zur Rückführung.

Lernen im Eins-zu-Eins Setting setzt am individuellen Lernstand an.

Welche pädagogischen Elemente sind im MarKo-Modell wirksam?

  • Bindungsangebot: An erster Stelle steht der Aufbau einer stabilen, tragfähigen Beziehung als Basis für die Zunahme von schulischen, sozialen und emotionalen Anforderungen.
  • Transparenz und Verlässlichkeit: Klare Grenzen und feste Erwartungen werden transparent gemacht, besprochen und visualisiert.
  • Entwicklungsorientierung: Das Ziel der Rückführung in die Stammklasse wird immer wieder präsent gemacht („Dieses Verhalten wird in einer Regelklasse erwartet.“).
  • Orientierung am Gelingenden: Ein Verstärkersystem für erwünschtes Verhalten hilft, den Blick auf das angestrebte Ziel zu richten.
  • Schule bedeutet Unterricht: Kinder und Jugendliche sollen wieder in die Rolle „Schüler“ bzw. „Schülerin“ kommen – gerade auch in Krisenzeiten.
  • Konsequente Bedürfnisorientierung: Bei Konzentrationsproblemen und anderen Lernschwierigkeiten wird der Unterricht zugunsten von Bewegung mit dem Kind, Gesprächen und Auszeitmöglichkeiten abgebrochen.
  • Entwicklung des eigenen Bedürfnisaufschubs: Wichtig ist hierbei, das Signal auszusenden: „Du wirst gesehen und gehört! Später können wir deinen Wunsch besprechen.“
  • Ressourcenorientierung: „Du kannst es NOCH nicht“ - Fokus auf positive Entwicklung und bisherigen Lernzuwachs legen.
  • Konfliktmanagement: Bei kleineren Konflikten hilft oft Ignorieren als Maßnahme, um unerwünschtes Verhalten abzustellen anstatt sich auf destruktive Diskussionen einzulassen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Gespräch gesucht. Bei massiven Auseinandersetzungen kommen neben Klärungsgesprächen und Wiedergutmachungen auch Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen gemäß BayEUG 86 zum Tragen.
  • Multiprofessionelles Netzwerk: Bei massiven (körperlichen) Aggressionen werden behandelnde Psychologinnen und Psychologen und/ oder Bezugserzieherinnen und Bezugserzieher der Kinder hinzugezogen.
  • Präsenzpädagogik: Die Pädagoginnen und Pädagogen handeln nach dem Konzept von Haim Omer.

Aufgrund der Labilität der Kinder und Jugendlichen findet all dies in einer extremen Gratwanderung zwischen Fordern und Überfordern statt.

Weiterer essentieller Bestandteil ist die ständige Reflexion des eigenen und gemeinsamen pädagogischen Handelns  durch

  • wöchentliche Teamgespräche
  • MarKo-Sitzungen mit Einrichtungsleitung
  • Bei Bedarf Fallgespräche mit den Psychologinnen und Psychologen sowie Gruppenhäusern
  • Supervision (viermal im Jahr)
  • Hilfeplankonferenzen
  • ständige Förderplanung
  • Unterstützung der HPUs und/ oder HFLs bei diagnostischen Fragestellungen durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer

>> Ein Tag im MarKo-Modell

Wie sieht ein Tag im MarKo-Modell aus?

Worauf ist zu achten?

1. aus schulrechtlicher Sicht

Alle MarKo-Kinder sind Schülerinnen und Schüler des Sonderpädagogischen Förderzentrums und werden unter Berücksichtigung ihres individuellen sonderpädagogischen Förderbedarfs und ihres Leistungsstandes einer geeigneten Jahrgangsstufe bzw. Klasse im SFZ zugeordnet. Sie sind offiziell Mitglied dieser Klasse, auch wenn sie diese (vorerst) nicht besuchen. Deshalb ist darauf zu achten, dass diese Klasse Kapazitäten offen hat, um ein MarKo-Kind mittel-/ langfristig auch ganz aufnehmen zu können.

Die Kinder des MarKo-Modells bilden schulrechtlich keine separate Klasse, für die die Regierung gesonderte Lehrerstunden genehmigt. Die Lehrerstunden werden aus dem für das gesamte SFZ genehmigten Stundenbudget genommen.

Aus zwei Gründen gelingt das:

  • Die Regierung von Oberfranken erkennt den Bedarf für dieses besondere Setting und die positiven Perspektiven, die es für die Schülerinnen und Schüler im MarKo-Modell gibt. Deshalb unterstützt sie das MarKo-Modell mit zusätzlichen Stunden im Bereich der Heilpädagogischen Unterrichtshilfen. 
  • Im Kollegium herrscht Konsens darüber, dass vor allem Differenzierungsstunden in das MarKo-Modell einfließen. Die Konsequenzen daraus werden vom Kollegium des SFZs getragen. Zudem soll das MarKo-Modell kein „Satelliten-Leben“ führen, sondern trotz räumlicher Trennung fest mit dem SFZ verbunden sein.

2. aus Sicht der Schule

  • Die HPUs bzw. HFLs, die im MarKo-Modell eingesetzt werden, stehen hinter dieser Arbeit.

3. aus Sicht der Jugendhilfe

  • Die Jugendhilfe ist sich des Bedarfs dieses besonderen Schul-Settings bewusst und „leistet“ sich deshalb die Mehrkosten. Viele Kinder und Jugendliche werden im Kinderdorf präventiv als MarKo-Schülerinnen oder MarKo-Schüler aufgenommen.

An welchen Stellen des Modells gibt es Reflexionsbedarf?

  • Obwohl HPUs und HPFs den Unterricht im MarKo-Modell vorbereiten, ist in deren Stundenpool täglich nur eine halbe Stunde Vorbereitungszeit inbegriffen. Dies genügt nicht, denn sie unterrichten Kinder und Jugendliche auf unterschiedlichen Lernniveaus.
  • Trotz enger Verzahnung zwischen MarKo-Modell und der eigentlichen Klassenlehrkraft, übernimmt diese vorwiegend „Verwaltungsaufgaben“. Die Arbeit „am Kind“ findet durch die HPUs statt.

Was nimmt man wahr?

  • Schülerinnen und Schüler kommen jeden Tag zur Schule: freiwillig, freudig und dankbar.
  • Tagesstrukturen entstehen neu und bieten Sicherheit.
  • Bei den Schülerinnen und Schülern entsteht das Gefühl, gebraucht zu werden. Sie erleben das Interesse an ihnen und die Verbindlichkeiten in diesem Modell: „Ich bin Teil dieser Gruppe und für diese wichtig!“, „Ich bin wieder ein Schüler.“ Es entsteht ein neues Selbstkonzept in schulischer Hinsicht.
  • Im Fokus steht auch der Umgang mit Stärken und Schwächen, mit Erfolgen und Misserfolgen.
  • Die MarKo-Räume bekommen einen hohen Stellenwert und sind losgelöst von den Strukturen eines „normalen“ SFZs. Alle Räume sind jeweils klar einer bestimmten Funktion zugeordnet: Der Unterrichtsraum ist ein Ort des Lernens und Lehrens. Im Raum, in dem der Kicker steht, wird Kicker gespielt. Die Couch ist zum Ausruhen da.

Wie sieht das aus?

Stimmen mehrerer Mitarbeiterinnen

Das MarKo-Modell als Insel – Schilderungen zur Umsetzung sowie den Vor- und Nachteilen (4:37 min).

Schülerstimme zum MarKo-Modell

Einzelunterricht tut mir gut, weil..." (0:43 min)

Schülerstimme zum MarKo-Modell

„Das MarKo-Modell tut mir gut, weil..." (0:27 min)

Dieser Baustein wurde an der Schule am Martinsberg erarbeitet und erprobt.

Zugehörige Theoriemerkmale:

​Statt jedem das Gleiche jedem das, was er braucht.

Haltungsbasierte Reaktionen schaffen Handlungssicherheit.

...bietet vielfältige Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten.

Dieser Artikel ist ein Baustein der ISB-Veröffentlichung

Haltung und Handlungssicherheit –

Schulentwicklung bei herausforderndem Verhalten.

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Bilder: © ISB. Schule am Martinsberg Naila